«Schreiben ist wie Fliegen», das neue Buch von Johanna Maria Ott ist im Buchhandel erhältlich. Die Autorin wollte schon immer ein Buch schreiben, auch die Tatsache, dass sie körperlich schwer behindert ist, liess sie nicht davon abhalten. Sie möchte nicht als Summe ihrer Einschränkungen wahrgenommen werden, sondern als junge Frau, die Geschichten schreibt, die zwar auch von ihrem sehr speziellen Leben handeln, aber auch einfach Geschichten oder Gedichte sind, oder Tagträume ermöglichen, in denen sie sich verliebt, kommuniziert, geht, fliegt. Hier gibt sie uns Einblick in ihr ganz normales Leben.
Wie ist das Buch «Schreiben ist wie Fliegen» entstanden?
Johanna Maria Ott: Ich schreibe gerne einfach drauf los, ohne gross zu überlegen, was und wie. Es strömt einfach so aus mir heraus. Einige Menschen haben mir immer wieder Komplimente zu meinen Texten gemacht und waren tief beeindruckt davon. Und da es schon immer ein Traum von mir war ein Buch zu schreiben, habe ich mich entschieden, dies auch zu tun.
Sie sind körperlich schwer behindert und so in Vielem eingeschränkt. Was bedeutet Ihnen Freiheit?
Ich bin in einer Künstlerfamilie aufgewachsen. Meine Eltern waren beide Schauspieler und ich hatte trotz der schweren Körperbehinderung sehr viele Möglichkeiten, mich ganz normal zu entwickeln. Ich ging in eine ganz normale Schule mit nicht behinderten Kindern. Da ich sehr viel unterwegs war in verschiedenen Ländern, war mein Leben nie eintönig und routineartig, sondern immer in Bewegung. Für mich bedeutet Freiheit – ich fühle mich frei, wenn jemand zum Beispiel mit mir gut gehen oder tanzen kann und sich auf meine Art der Bewegungen einstellt, mich aber gleichzeitig sicher und richtig hält.
Sie verfügen über einen äusserst starken Willen und haben sich so den Traum vom Schreiben erfüllt. Was hat Sie immer wieder angetrieben, weiter zu machen, auch wenn es mal mühsam war?
Ich kann durch das Schreiben Dinge und Gefühle verarbeiten und mich ein Stück weit in meine Fantasiewelten begeben – wie gesagt mein Körper hat eine Behinderung, der Geist nicht. Die meiste Kraft geben mir Menschen und Beziehungen, gute Beziehungen sind mir sehr wichtig für mein Leben.
Sie sind ihr Leben lang auf andere Menschen angewiesen. Wie erleben Sie Ihre Mitmenschen?
Es kommt darauf an, wer es ist. Es gibt ja bekanntlich unsympathische und sympathische Menschen auf der Welt. Und genauso wie die meisten Menschen, versuche ich die Unsympathischen zu ignorieren und bei den Sympathischen zeige ich, wer ich wirklich bin.
Wie möchten Sie von Ihren Mitmenschen wahrgenommen werden?
Einfach wie ich bin! Mir ist wichtig, dass man mich nicht auf meine Behinderung reduziert, sondern den Menschen, der ich bin, sieht und wahrnimmt.
Die Inklusion von behinderten Menschen (in der Schweiz) hat noch viel Potenzial. Wie sehen Sie das und wo ist der grösste Handlungsbedarf?
Ja in der Tat – die Schweiz ist hier sehr rückständig, was behinderte Menschen angeht. Es gäbe noch viel Potenzial. Vieles ist nur Theorie – man vergisst dabei oft, dass es um normale Menschen geht. Behinderte Menschen wollen genauso wahrgenommen und behandelt werden wie nicht behinderte Menschen. Verdiene ich beispielsweise mit diesem Buch zu viel Geld, kürzt mir die IV meine Gelder – sehr fragwürdig!
Zu Ihrem Buch: Sie nehmen die Leserin und den Leser tief in Ihre Vorstellungswelten mit. Wie würden Sie denn Ihre Welt beschreiben?
In meiner Welt tummeln sich Giraffen und Osterhasen, es wird philosophiert über Liebe, Leben, Freiheit und Tod. Ich verwende dabei verschiedene Genre: Krimi oder Horrorgeschichten, Gedichte oder Fiktive Selbstinterviews und ich bin eine Frau mit Gefühlen, Emotionen, Träume und sehr romantischen Vorstellungen wie mein Leben aussehen soll.
Was möchten Sie der Leserin und dem Leser mit diesem Buch mitgeben?
Ich will mit meinen Geschichten den Menschen zeigen, dass ein Mensch mit Behinderung genauso künstlerisch tätig und fantasievoll sein kann, wie ein nicht behinderter Mensch. Zudem würde es mich freuen, wenn die Leserinnen und Lesern von meinen Geschichten gerührt und emotional betroffen sind oder wenn sie lachen müssen.
Wir nicht behinderte Menschen könnten ein grosses Stück bezüglich Ihrer vorbildlichen Haltung dem Leben gegenüber abschneiden. Oft sind wir wegen Kleinigkeiten ungehalten und Vieles ist für uns selbstverständlich. Was macht das Leben aus und wieso ist das Leben immer lebenswert?
Ich bin nicht krank und lebe wie jeder nichtbehinderte Mensch mein Leben. Ich behaupte, dass ich in meiner Situation vielleicht bei manchen Fragen etwas mehr Lebenserfahrung habe und etwas «lebenserprobter» bin. Aber auch ich habe meine Krisen im Leben und schätze es, wenn ich mich bei jemandem ausweinen und anlehnen kann.
Schreiben Sie schon am nächsten Buch?
Ja –, das nächste Buch handelt von meiner Vergangenheit und Gegenwart.
Was wünschen Sie sich persönlich für die Zukunft?
Dass ich mich verliebe und diese Liebe leben kann, mit allem was dazu gehört.
Interview: Corinne Remund
Schreiben ist wie Fliegen
Buchstaben sind mein Glück
Johanna Maria Ott
Wörterseh Verlag
EAN/ISBN-13: 978303763128
ISBN: 3037631287
Johanna Maria Ott, geb. 1983, kam mit einer komplexen Körperbehinderung zur Welt. Ihr Glück war es, in eine Künstlerfamilie – sowohl die Mutter als auch der Vater sind Schauspieler – hineingeboren worden zu sein. Ihre Eltern wollten Johanna nicht zusätzlich behindern und schickten sie – mit einer Assistenz – in eine «normale» Schule. Der Zugang zu Bildung und Kultur und die Tatsache, dass die Autorin trotz all ihrer Einschränkungen mitten in der Gesellschaft aufwachsen konnte, sind der Schlüssel dafür, dass Johanna Maria Ott ihr Schreibtalent entfalten konnte. Früher schrieb sie mit einem langen Stab, der an einem Kopfhelm angebracht war. Heute nimmt sie eine Software zu Hilfe, die ihr erlaubt, die Tastatur durch Augensteuerung zu bedienen. Sie lebt selbstbestimmt im Zürcher Kulturpark, im Assistenzprojekt des Vereins «leben wie du und ich», das sie mitbegründet hat.